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Dienstag, 1. Januar 2008

æsthetische erfahrung als modus der zivilgesellschaft

Johannes Nilo

›Heute erscheint ästhetische Bildung als die einzig tragfähige Alternative zu Didaktik und Akademismus auf der einen und Warenfetischismus auf der anderen Seite‹, so Roger M. Buergel, künstlerischer Leiter der ›documenta 12‹. Diese Kunstausstellung formulierte programmatisch und praktizierte einen Bildungsbegriff, welcher für unsere Suche nach der Gegenwart behilflich sein kann und deshalb hier vergegenwärtigt werden soll.
Viel mehr als eine Kunstausstellung im gewohnten Sinn, wollte die documenta einen Erfahrungsraum bieten, der Zugänge zu den komplexen Lebenszusammenhängen der heutigen vernetzten und globalisierten Welt eröffnet. Kunst sei stets die Erfahrung eines bestimmten Verhältnisses von Individuum, Gesellschaft und Umwelt, schreibt Buergel und setzt fort: ›Wollen wir dieses Verhältnis nüchtern und wertfrei betrachten, ja vielleicht neu bestimmen – es wäre an der Zeit – so brauchen wir ein Mittel, das uns unseren unmittelbaren Lebenszusammenhängen entrückt. Dieses Mittel ist nicht die Kunst selbst, wohl aber die Kunsterfahrung – die Begegnung mit einer Größe, die beginnt, wo Bedeutung im herkömmlichen Sinne endet.‹ Kunst ermöglicht eine bestimmte Form von Bildung. Eine ästhetische Bildung, welche die Objekte der Welt nicht lehrhaft, nicht informativ, sondern ästhetisch zueinander in Beziehung setzt, ›um sie in ihrem ‚So-Sein‘ erstrahlen zu lassen‹. Einen solchen Lernprozess wollte die documenta anstoßen. Eine kollektive Kunsterfahrung wie die documenta könne eine Zivilgesellschaft ausbilden, ›die unendliche Lust empfindet angesichts der Komplexität von Ich und Welt und dem Spannungsverhältnis, in dem beide zueinander stehen. Eine Zivilgesellschaft, die bereit ist, den Blick für Zusammenhänge zu öffnen, falsche Offensichtlichkeiten aufzukündigen und sich wenigstens für die Dauer eines Ausstellungsbesuches auf dem bodenlosen Grund ästhetischer Erfahrung zu bewegen.‹
Wir bewegen uns hier auf einem Terrain, das eine produktive Spannung in sich birgt. Einerseits sind wir dem unmittelbaren lebensweltlichen Druck entrückt und einer ästhetischen Bedeutung von Welt und Ich jenseits der logischen und eingeübten Bedeutung und weltlichen Sachzwänge hingegeben. Andererseits verspüren wir eine Dringlichkeit, selber in die Lebenszusammenhänge einzugreifen, real produktiv zu werden. Und es fällt auf, die Künstler und Künstlerinnen der documenta sind in der Welt tätig, sie arbeiten an der Gesellschaft aktiv mit. Dieser aktivistische Aspekt ist in dem letzten der drei Leitmotive der documenta, das der Bildung gilt, festgehalten. Da wird schlicht gefragt ›Was tun?‹ Anknüpfend an das oben Zitierte könnte man sagen es sei an der Zeit, die Lebenszusammenhänge neu zu bestimmen, und die ästhetische Bildung gibt uns hierzu ein Mittel an die Hand.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Kernbegriffe dieses Essays sind "ästhetische Bildung" sowie "Ästhetische Erfahrung", die als ein zentraler Modus für die Zivilgesellschaft dienen sollen. Doch was anfangen mit diesen Begriffen? Mir bleiben sie hier zu schwammig,um mit ihnen operieren zu können. Meint Ästhetik "Wahrnehmung", so habe ich dann Wahrnehmungs-Bildung, oder Wahrnehmungs-Erfahrung. Doch Wahrnehmen kann|tut ein jeder, und wird alles. Wie muss, wenn es in diesem Sinne verstanden wird, die Wahrnehmung in ihrer Qualität beschaffen sein, damit sie als ein Mittel für die Zivilgesellschaft fungieren kann? Meint es, das das Wahrnehmende Ich, die Welt weder einem Erkenntniszwang, noch einer Bedürfnisbefriedigung unterjocht, sondern allein ihre Erscheinungsqualitäten Bewusst erlebt?
Gesehen habe ich die Documenta nicht. Nicht kann ich dadurch wissen, wie durch Kunst neue Zusammenhänge geschaffen werden können. Aber gerade deshalb bekomme ich ein Interesse daran, wie dies zu ermöglichen wäre. Um eine konkrete "ästhetische Praxis (Anleitung)" wäre mir deshalb gelegen, um den Bezug zur Zivilgesellschaft in der Wirklichkeit selbst nachvollziehen zu können.

Anonym hat gesagt…

Lieber Kommentator,

Philipp Tok machte mich in einem Telefonat aufmerksam auf Deinen Kommentar zu Johannes Nilo und dessen Text ›Ästh. Erfahrung als Modus…‹ von ›Was ist an der Zeit‹. Wonach gefragt wird scheint offenkundig, aber, von wo heraus wird gefragt?

Philipp laß mir Deinen Text vor und das Vorlesen weckte dann bei mir Anteilnahme. Im Besonderen Dein letzter Satz hat's in sich. ›Um eine konkrete ‹Ästhetische Praxis› wäre mir gelegen, um den Bezug zur Wirklichkeit selbst nachvollziehen zu können‹ (ich lese: den Bezug von Ich und Welt, um einer Wirklichkeit willen, selbst vollziehen zu können.)

Nach meiner Erfahrung kommt man mit Fragen bloß dann zu einiger Befriedigung wenn man denjenigen Bereich in die Anschauung und somit in ein solches Bewußtsein erheben kann, in welchem Fragen sich als persönlichstes Erlebnis darleben können.


›Meint es, das das wahrnehmende Ich, die Welt weder einem Erkenntniszwang noch einer Bedürfnisbefriedigung unterjocht, sondern allein ihre Erscheinungs-qualitäten bewusst erlebt?‹ Dazu hast Du dich leider nicht weiter geäußert und aus meiner Sicht kann der Vorgang bloß voran kommen, wenn Du dich noch einmal zu Wort meldest.

Was ist das für ein Bedürfnis bei Dir, einer Zivilgesellschaft operativ dienen zu wollen und woher stammt es? Denn letzlich soll doch diesem, Deinem Bedürfnis, mit einer Beantwortung der Fragen, gedient sein. Im Hinblick auf so ein Bedürfnis würden sich manche noch ausstehende Klärungen womöglich erübrigen, eventuell bisher nicht angesprochene Erlebnisse auftun, sogar andere Fragen sich darleben.

Zumdem sollten wir bei all diesen Fragen nach der Kunst eins nicht außer acht lassen, den Künstler. Nehmen wir nun den Künstler in unseren Blick, führt uns das zu einem Begriff, der im Ausgangstext von Johannes Nilo anklingt. Dem Sinne nach ›wollen wir das Verhältnis von Individum und Gesellschaft nüchtern und wertfrei betrachten, ja vielleicht neu bestimmen…‹ (Roger M. Buergel)

Freiheit erscheint mir als der zu klärende Ausgangspunkt, ohne welchen alle Gedankengänge zum Begriff einer Ästhetik, diese nicht erreichen.


Mit freundlichem Gruß! Burghard Schildt

Anonym hat gesagt…

Verehrter Herr Schildt!
Über Ihren, nach Erweiterung fragenden Einwand, freute ich mich sehr. Versuchen Sie doch, anstatt wild drauflos zu argumentieren, den Ausgangs Urgrund sogenau wie möglich kennen zulernen; um dann womöglich Ihre Ideen dazu mitzuteilen (er würde mich zumindest Interessieren) – eine heute nicht gewöhnlich verbreitete Art.
Die erste Nachfrage war auf den Ursprung gerichtet, woher meine "Frage" entstamme. Dies sind vier Punkte zu je zwei paaren: Vertrauensverlust und Skepsis, Ästhetik als Wort, und die Wahrnehmung als gezielte Tätigkeit. Vertrauensverlust und Skepsis habe ich letzteren beiden gegenüber.
Die Ästhetik. Vom Begriff her ein wichtiges Feld, mir selbst sehr lieb und vertraut. Doch deshalb habe ich dem Wort Ästhetik einen Vertrauensverlust gegenüber, wird es heut doch Inflationär gebraucht. Gerade im Kunstbetrieb, in welchem es durch Hr.Buergel auftrat, wird es genauso weitläufig im Sinn behandelt, wie in nicht themenimanenten Bereichen. Es reicht da von "das find ich ästhetisch", "ästhetische-Praxis" über "ästhetisches-Phänomen" (wann ist ein Phänomen nicht ästhetisch?) etc., bis hin zu all jenen Wortzusammenfügungen die Hr.Buergel selbst zusammenstellt. In meinem ersten Kommentar hatte ich versucht mit der wörtlichen Übersetzung Nachzufragen, ob dies damit gemeint sei; aber selbst wenn, ist mir selber die "Wahrnehmung" vom sinn zu eindimensional, und räume hier ein, das "Ästhetik" da wohl vielschichtiger ist. Doch eben um diese Klärung ging es mir in meiner Nachfrage.
Also: Vertrauensverlust und Skepsis dem Wörtchen "Ästhetik" gegenüber. Vertrauensverlust, weil es zu einer bedeutungsverzerrten und beliebigen Kunstfloskel verkommen ist; Skepsis, wie dann aus so einem Terminus eine wirkliche Verständigung entstehen kann (gerade in Bezug zu dem anliegen, welchem dem Essay von Hr.Nilo zugrundeliegt).
Dann die Wahrnehmung. Anglotzen tun wir die Welt wohl alle. Das dadurch aber "Erkenntnisse" gefördert werden können/sollen, wie von Hr.Buergel vorgeschlagen wurde, halte ich ohne ein "Wahrnehmungsschulung" für aussichtslos. In dem Essay wird dies selbst kurz angedeutet: "Einen solchen Lernprozess wollte die documenta anstoßen". Doch können, nach meiner Meinung, da die Kunst-Dinge nicht mit Lehren beginnen, sondern der Mensch als Wahrnehmender muss präpariert werden. Man könnte platt sagen: die heutige Menschheit kann besser Denken (Verstand), als sie das Wahrnehmen tut (Streit zwischen Kant und Goethe; Kritik der Reinen Vernunft contra "Farbenlehre"). Da aber dazu kommt, das es sich bei der Kunst um ein besonderes Wahrnehmungsobjekt handelt, sowie das von Hr.Buergel geforderte Ziel auch ein solches ist, muss ich, um dies vollziehen zu können, nach einer bestimmten WahrnehmungsArt fragen.
Sie hoben ein kleine Stück Text von mir als Zitat hervor. Sie fragten dazu nach Erweiterung. Diese meine Nachfrage stellte ich in den Sinn des Wortes "Wahrnehmung", um dann womöglich es besser greifen zu können. Was Hr.Nilo dazu Antworten würde weiß ich nicht. Mir allein ging es dabei um die Motivationsgrundlagen eines Wahrnehmungsaktes zu bestimmen, um dann eine andere Wahrnehmungsqualität zu ermöglichen. Ein Wissenschafter muss genauso Wahrnehmen, wie ein Künstler; doch verfolgt er durch sie anderes. Genauso ein Geschäftstüchtiger nimmt Wahr, doch ist sie stets unter ein Ziel gebunden. Also: ästhetische Erfahrung, darf sie eine Motivation haben,darf sie ein Ziel verfolgen, um als dritte Variante bestehen zu können? Was also ist:ÄSTHETISCHE WAHRNEHMUNG(-ERFAHRUNG)? (wodurch unterscheidet sie sich im aktiven wahrnehmen von anderen; also einer Wahrnehmungs-Technik.
>Reine Wahrnehmung? erzielt ästhetische Erfahrung? Ich hoffe ich drehe mich damit nicht wiederholend im Kreis.

Einem muss ich widersprechen: zwingend den Künstler und die Kunst ins Spiel zu bringen. Trotz aller zubeginn vorgebrachten Einwände der Ästhetik gegenüber, erstreckt sie sich in meinem Verständnis aber gerade über die Kunst hinaus –Kunst ist ästhetisch; Ästhetik aber nicht gleich (nur) Kunst –, und das sollte sie auch, wenn ästhetische Erfahrung als eine Fähigkeit des Menschen verstanden wird, und nicht etwas, was den Objekten anhaftet und im betrachten dessen man eine "ästhetische Erfahrung" hat. Der Künstler, aber nur eben ein Konkreter, kann uns hierbei dienlich sein, da er vielleicht jener ist, der diese ästhetische Erfahrung(-Technik) schon von Geburt an mitbekam. So verstanden, sind Kunstwerke Zeugnisse einer vorausgehenden ä.-E.

Die Zivilgesselschaft, um es kurz zu halten, hatte hier Relevanz dadurch, das sie in den Bezug zur ä.-E. gesetzt wurde; für mich ist die Frage nach "dieser" Wahrnehmung von Relevanz, welch solche Verbindungen vollbringt. Was damit alles erzielt werden kann, scheint mir innerhalb meiner Nachfrage sekundär. Die Schlussformulierung, welche sie auch Zitiert haben, war überpersönlich gemeint; es Fragt da das Wahrnehmende Subjekt, welchem erzählt wird, was alles durch eine bestimmte Wahrnehmung gelingen kann. Ein aktives, im tun nachvollziehen wollendes Subjekt fragt da (natürlich bin ich selber auch so eines).

Schwierig steht es mit der Freiheit. War sie nach meinem Verständnis (und so wie ich Schiller verstand) mir doch bisher ein zu erzielendes, auf dem Wege des ästhetischen. Warum also das Ziel klären, wenn man noch kein Rüstzeug für den Weg hat. Vielleicht aber lassen sie mich gerade in diesem Punkt Ihre Sicht wissen –es würde mich freuen

Bester Gruß, der Kommentator

Anonym hat gesagt…

Lieber Kommentator,

Zunächst recht schönen Dank für Deinen weiterführenden Bezug auf meinen Gedankengang,
Schwierig steht es mit der Freiheit, denn, sie ist in Deinem Verständnis ein, auf dem Wege des Ästhetischen, zu Erzielendes.

Mir hingegen erscheint der Begriff der Freiheit als der zu klärende Ausgangspunkt, ohne welchen alle Gedankengänge zum Begriff einer Ästhetik, diese nicht erreichen.

Diese, meine Sicht, ruft bei Dir die Frage hervor, wie kann man Freiheit als Ausgangspunkt erklären, wenn eine Ästhetik, in Deiner Sicht, das Rüstzeug für den Weg des Erlangens der Freiheit ist.

Ich will mit einer Gegenfrage antworten. Woran denn sonst, als an einem Freiheitsbegriff, wäre die Bildung einer Ästhetik auszurichten, soll sie doch, wie Du sagst, das Rüstzeug, für den Weg zur Freiheit, sein?

Für mich steht nicht zur Frage, ob Ästhetik einen Zweck anstreben darf, denn, sie soll es, das ist ihr Zweck.

Setzt sich der Mensch einen Zweck, in diesem Falle, eine sich stets erweiternde Freiheit des Menschen, ist es ein Selbstzweck. Zweck erfüllt allein im Selbstzweck seinen Sinn. Die Wirkung eines Zweckes erscheint dann bereits als seine Ursache.

So vollzieht sich in einer ästhetischen Handlung die Selbstanschauung der Freiheit, als eine Handlung aus Freiheit, in Freiheit, zur Freiheit.



Weiterhin in diesem Sinne,
Burghard Schildt

Anonym hat gesagt…

Verehrter Herr Schildt!
Ich verstehe, und stimme Ihrer Idee von Freiheit zu. Dennoch lässt sie mich unbefriedigt. In ihr ist enthalten, wie der einzelne Mensch innerlich zu einer Handlung steht. Aber weder der Weg zu dieser Haltung, noch eine Betrachtung der daraus möglichen Handlungsweisen (Realisierung) werden erläutert. Aber genau diese zwei Seiten unseres Schnittpunktes, sind die Wege, die ich meinte, welche ästhetischer Natur sind. Hier bekommt das Ästhetische einen eigenen, in Bezug zur Freiheit ergänzenden Sinn. Denn, damit dieses zweckfreie Motiv ein wirkliches ist, und nicht eine Selbsttäuschung, muss über die Naturprozesse hinausgegangen, also mit gegebenem gespielt werden; und dies darf man wohl ein ästhetisch betätigendes Erlangen des freien Motivs nennen.
Also: Freiheit ist, aus einem Motiv zu Handeln, das selbsterzeugt, aus sich selbst bestimmt ist. Innerlich geschöpft, äußerlich unabhängig. Der Weg der dazu führt, und der aus ihm geht, kann nur aus dem Spiel, also nicht aus Naturprozessen geschehen; das ist, das ästhetische Handeln.
Nun hoffe ich, das über diese zwei Punkte gemeinsames Verständnis liegt; sonst wird mein Fortgang unbrauchbar.

Die eigentliche Ausgangs Frage, die ich gestellt hatte, war, "wie muss, (…), die Erfahrung (Wahrnehmung) in ihrer Qualität beschaffen sein, damit sie als ein Modus für die Zivilgesellschaft fungieren kann?".
Um mit den neuen Erkenntnissen daran wieder anzuknüpfen, möchte ich noch eine Zweideutigkeit erwähnen, die in der Wortkombination "ästhetische Erfahrung" vorliegt, um damit mein Sinnverständnis hervor zu heben: a) ästhetisch Erfahrung, als eine Erfahrung verstanden, die an "ästhetischen" Objekten gemacht wird. Diese meine ich nicht (wie schon in meinem 2. Beitrag kurz erwähnt). Denn das die evozierte Erfahrung gleich die Qualität annimmt, die dem evozierenden Objekte zugrunde liegt, kann nicht im voraus (bedingt durch individuelle Erlebnis Kompetenz) bestimmt werden. Bei b) liegt der Sinn darin, das ästhetische Erfahrung eine bestimmte Erfahrung sei, die sich von anderen Erfahrungen unterscheidet. Die Erfahrung, ist ästhetisch. So wie das Kunstwerk sich durch bestimmte Eigenschaften von anderen Dingen in der Welt unterscheidet, so muss sich diese Erfahrung durch eine bestimmte Art von den andere unterscheiden. Wie stellen wir aber diese Art der Erfahrung in Bezug zur Freiheit, die uns doch als Grundlage dient? Denn, wie ich meine, ist die Natur der Erfahrung nicht eine freie; wird doch diese stets erlitten.
Dies ist der weitere Punkt, um eine synthetisierte, präzisere Frage zu stelle. Wir haben die Freiheit, als eine im Motiv selbst bestimmte Tat, die als begriffliches Zentrum für die Ästhetik dient. Wir haben eine Erfahrung, die eine besondere sein soll –aber ihrem Wesen weder tätig, noch selbst erzeugt ist. So lautet sie:
wie ist eine freie Erfahrung möglich?

Anonym hat gesagt…

An den Kommentator

Nachstehende Textvorlage eröffnet Einblick in eine Erwägung des Wortes Erfahrung.
Die Erwägung ergibt, das Erfahrung, plastisch ausgestaltet, die Möglichkeit einer freien
Erfahrung, nicht ausschließt. Dargelegt ist die Möglichkeit der Erfahrung, die man nicht "erleidet". Man steht ihr nicht, wie einer unabhängig vom Erfahrenden, gegebenen Erfahrung, gegenüber. Es ist eine willentlich zu vollziehende Tätigkeit, der so eine Erfahrung entspringt.


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Lieber Kommentator!

Freiheit findet Deine Zustimmung und von daher erfragst Du die Möglichkeit einer freien Erfahrung. Wenn Erfahrung, wie Du sagst, ihrem Wesen nach, weder tätig, noch selbst erzeugt ist, sondern stets erlitten wird, dann wäre Freiheit eine Illusion. Erfahrung ist immer mit dazugehörig, geht es um Freiheit. Freiheit ist erfahrene Freiheit.


Ein Jegliches, das man aussagt als ein Gegebenes, erscheint als gegeben durch Erfahrung. Was Erfahrung ist, darauf kann man mit Worten lediglich hinweisen und dann auf deren Weise seine Aufmerksamkeit ausrichten. Der Ausgangspunkt hierfür ist all das, was uns durch unsere Sinnesorgane als ein Gegebenes erscheint. Im alltäglichen Sprachgebrauch nennen wir das in richtiger Weise dann auch Sinneserfahrung.


Hieraus folgt, ließe sich in Begriffen fassen, was Erfahrung ist, es wäre keine. Gerade das nennen wir Erfahrung, was durch Besonderheit nicht eingeht in Begriffe, die, aufgrund ihrer Allgemeinheit, nicht beinhalten können das Besondere. Ein Besonderes ist dasjenige der Natur, das allein, durch Vermittlung der Sinneswelt, für uns zur Erfahrung werden kann. Jeder Mensch erfährt durch seine Art und Weise anders als seine Mitmenschen. Weiter ist es so, daß bereits bei einem einzelnen Menschen keine Erfahrung einer Folgenden gleichen kann. Alle Erfahrungen sind voneinander verschieden, sie sind nacheinander und nebeneinander in der Erinnerung.


Darin liegt begründet die Notwendigkeit und Bildung reiner Begriffe, mit denen wir die zusammenhanglosen Erfahrungen innerlich durchdringen und durch Eingliederung in die Einheit der Ideenwelt, dann anschauen können, wie das zuvor, als zusammenhanglos in der
Erfahrung aufgetretene, nun seinen Zusammenhang ausspricht. Denkend entlehnt man den allgemeinen Inhalt der Begriffe aus der, durch sich selbst, inhaltvollen Idee. Anschauend gewahrt man die Besonderheit ihrer Form durch die Sinneswelt, in der sie, wegen ihrem
Nebeneinander, aufeinander einwirken und dabei ihre Besonderheit erfahren. Allein hierdurch erklärt sich, warum man Erfahrungen "erleidet." Von daher erleidet, das Vorgänge, durch ihr Nebeneinander, aufeinander einwirken und einander "erleiden", solang sie des Zusammenhanges, der ihrer Natur als Begriff entspricht, entbehren. Der vorläufige "Ort" eines Zusammenhanges von Begriff und Sinneserfahrung ist das menschliche Selbstbewußtsein.


Allein, dieser Ort befriedigt uns noch nicht. Wir fragen darüber hinaus nach Etwas, das bereits in der Sinneserfahrung seinen Zusammenhang mit der Einheit der Ideenwelt des Menschen aufweist. Wir erstreben den Einklang unserer sinnlichen Natur mit der unseres Geistes. Es gilt etwas zu vollziehen, woraus ein, bereits in der Sinneserfahrung, sich selbst begründender Zusammenhang zur Erscheinung kommen kann. Etwas ist zu begründen, woraus wir uns, in einer Art und Weise, für das Wohin so eines Strebens, gewissenhaft betätigen können.


So eine Begründung wäre die "reine" Erfahrung. Sie ist es , das nicht in der gleichen
Weise auftritt, wie sonst alle übrige Erfahrungen, die uns zunächst als unmittelbar Gegebenes entgegenstehen. Die reine Erfahrung hingegen kann in der Weise eines Gegebenen nicht auftreten. Reine Erfahrung ist der Vollzug einer Willenskraft, die freigesetzt wird, durch ein sich betätigen in einer Umkehrung derjenigen Willensrichtung, die in der Vorstellungsbildung tätig ist. Der Wille ist dafür ausgerichtet auf die Sinneserfahrung. Er betätigt sich in ihr, ist dadurch aber ein, durch Sinneserfahrung, bestimmter Wille. Wille ist es, was in den alltäglichen Sinneserfahrungen des Lebens tätig ist, sich in diesem, seinem Tätigsein jedoch nie erschöpft und allem Geschaffenen zum Trotze, steht's nach Entgegensetzung strebt. In der Umkehrung der Willensrichtung wird der gebundene Wille wiederum zu einem reinen Willen. Reiner Wille in der Erfahrung ist das Erscheinen seiner Bestimmungslosigkeit. Dadurch, das der ungebundene Wille selbst zur Erfahrung wird, ist es ein aus Selbstanschauung entsprungener Wille in Freiheit.


Die reine Erfahrung entspringt aus willentlich erzeugter Entgegensetzung, einem Widerspruch, der sich selber trägt und tritt auf diese Art und Weise in die Erscheinung. Reine Erfahrung ist, jenseits einer Selbst-oder Fremdbestimmung, einerseits bestimmungslose Erfahrung, andererseits erfahrene Bestimmungslosigkeit, im Ganzen eine Bestimmungslosigkeit als Erfahrung. Bestimmungslosigkeit ist jenseits jeglicher Besonderung, daher tritt sie wie ein reiner Begriff in Erscheinung . Die reine Erfahrung selbst ist der Begriff der Freiheit in der Erscheinung. Dieser wiederum ist die Erfahrung der Freiheit aus Freiheit, oder, die "ästhetische Erfahrung" als eine höhere Erfahrung in der Erfahrung.



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Lieber Kommentator, der Text hat sein Ende gefunden. Bereits ein nächster Schritt wäre nicht mehr allein "ästhetische Erfahrung", sondern ein Tätigsein mit "altbekannten Werkzeugen", die, aus äshtetischer Erfahrung, dann als "höhere Werkzeuge" auftreten. Hier gilt, aus Vertiefung in Freiheit, zur Erhöhung des Menschen. Diese "Werkzeuge" sind Staunen, Mitgefühl, Gewissenhaftigkeit. Es sind "höhere" Sinnesorgane, durch welche "höhere Welten" der Sinneswelt geschaut, erforscht und durch künstlerisches Handeln dann in einer umgestalteten Sinneswelt erscheinen.


Ostern ist vorbei und so sei noch ein Satz von Max Stirner beigegeben. " Das Wissen muß sterben, um als Wille wieder aufzuerstehen und als freie Person sich täglich neu zu schaffen."


In der Hoffnung, daß mit den Erwägungen weitere Beiträge, für zu lösende Fragen,
dargeboten sind, verbleibt mit freundlichem Gruß!

Burghard Schildt

Anonym hat gesagt…

Lieber Kommentator,
seit 6 Wochen liegt meinerseits
ein Versuch vor,einen weiterführenden Bezug auf Deine Post v. 14.3.08 zu geben.
Hier nun meine Frage an Dich -
bist Du noch am Ball?

Mit freundlichem Gruß aus dem hohen
Norden! Burghard Schildt