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Freitag, 20. Juni 2008

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Donnerstag, 19. Juni 2008

oberflæchen

Johannes Nilo

›Meine Arbeiten brauchen ihre Zeit. Sie ermöglichen es den Betrachtern, das Entstehen einer Erscheinung zu erleben. Sie sind Ausdruck einer visuellen Zurückhaltung, mit der ich die Wahrnehmung zu einer erfahrenden Gegenwart verlangsamen möchte.‹ So beschreibt Tom Chamberlain seine Arbeiten, die vor nunmehr zwei Wochen auf der Art Basel mein Interesse weckten. Meine Schritte verlangsamen sich zwischen den 5000 ausgestellten Werken. Das ziellose Gehen durch diese hochartifizielle Welt wird selbst Teil der Kunsterfahrung. Die Menschen scheinen zu schweben.

Ein Aquarell von Paul Klee hat meine Aufmerksamkeit, nachdem ich entdeckt habe, wie klug das Bild in der Gesamtkonstellation der Galerie inszeniert ist. An der gegenüberliegenden Wand hängen hochglänzende blaue und schwarze Flächen aus der Serie Lighter von Wolfgang Tillmans. Es handelt sich um ›Fotografien‹, die ohne Kamera direkt im Labor dem Licht ausgesetzt worden sind. Dazwischen ist ein Werk platziert, wo vor allem die Materialien auffallen, Sand, Gummi, Rost, durch Wasser und Wind bearbeitetes Holz. Dann sehe ich plötzlich, dass die Wand, wo der Klee hängt, nicht wie die anderen Wände weiß gestrichen ist, sondern hell braun.

Ich befinde mich in einer Welt der Oberflächen, wo unerwartete und neue Bezüge auftauchen. Man begibt sich in einen Raum jenseits der Funktionalität und logischen Bedeutung der Dinge und lässt den Sinn zwischen den Werken und dem Betrachter frei zirkulieren. Das Gefühl, das hier entsteht, ist am ehesten als leicht zu bezeichnen.

Eine frühe Zeichnung Andy Warhols aus den 50er Jahren ist exemplarisch leicht. Keine künstliche Tiefe, keine Ansprüche, die über das hinausgehen, was tatsächlich vorliegt. Eine freie Anordnung von Schmetterlingen in kindlich schlichten Linien ausgeführt. Diese Zeichnung ist einfach, was sie ist, sonst nichts.

Chamberlain geht weiter: ›Meine Arbeiten geben keine Hinweise darauf, was zu ihren Oberflächen gehört und was nicht. Es geht mir um die visuelle Erfahrung von etwas, das unmittelbar bevor steht – oder schon verschwunden ist.‹ Im Handout seiner Berliner Galerie Aurel Scheibler ist zu lesen: ›Tom Chamberlains Werke definieren einen Entstehungsprozess und verfestigen sich schließlich zu einer Möglichkeit oder einer Illumination‹. Eine auffallende Formulierung. Wäre nicht eine Möglichkeit, die sich verfestigt, schon Wirklichkeit? Was wird aus der Möglichkeit, wenn man sie so behandelt wie sonst nur die Wirklichkeit, wenn sie aus eigenem Recht und nicht bloß als Negation der Wirklichkeit gewürdigt wird? Ist es die Zeit selbst, auf die wir hier stoßen?

Samstag, 7. Juni 2008

anpfiff

›the script has already been written‹

Philipp Tok

Unverbindliche Annäherung ist mein Einstiegsmodus für Museen und sonstige Bildanhäufungen. Sehen, was einen treffen könnte. Was ich mitgebracht habe als befruchtbaren Stoff wird sich zeigen. Auch heute auf der ART in Basel. Da ist es schon.
Noch in der Tram ging es mich an, wie es geschehen konnte, dass zwei Veranstaltungen von diesem massiven Umfang zum selben Zeit- und am selben Raumpunkt stattfinden könnten. Die ART, ›grösste Kunstmesse der Welt‹, und die Europameisterschaft in der Disziplin Fußball treffen in Smalltown Basel zusammen. – Noch fast am Anfang der unlimitierten Erlebnisräume zeigt sich eine ansprechende Videoinstallation. Zwei Bildflächen, die im rechten Winkel aufeinander treffen und aufeinander abgestimmt HD Bildfolgen aus einem Fussballstadion zeigen. 17 Kameras sind als Ausgangsmaterial gerichtet auf Zinedine Zidane. Er selbst kommentiert die Bilder hin und wieder in Form von englischen Untertiteln. Der dröhnende Stadionsound wird abwechselnd abgedumpft, ausgeblendet, überspielt von tief gestimmter Musik oder zwischenzeitlich frontal eingeblendet. Dem Beipackzettel ist zu entnehmen, es handelt sich um ein Spiel in Madrid, doch das Spiel ist ausgeblendet. Ich sehe Zidane in schwacher Verfassung, dem Zweifel, vielmehr dem Resignieren anheim gegeben. Die Bilder nehmen mich mit in sein Innenleben, in dem das Wiesenereignis wie ein dümpelnder Tagtraum seinem Eigenleben nachgeht. ›Es gibt Tage, da kommt man ins Stadion und man weiß, alles ist bereits entschieden.‹ Die Stimmung ist dunkel-schicksalsergeben. Heute will nichts gelingen. Nur hin und wieder macht er sich überhaupt die Mühe, dem Ball nachzueifern, um ihn bereits wieder verloren zu haben. ›In mir steigen Erinnerungen an vergangene Tage auf. An große Momente. Der Ball kommt auf mich zu, und bevor ich ihn überhaupt berührt habe, weiß ich, ich werde punkten.‹
Mehr brauch ich nicht. Was auch immer ich noch entdecken sollte, diese Arbeit wird es übertönen. ›The script has already been written.‹

›Zidane, a 21st century portrait – camera 6‹ von Douglas Gordon und Philippe Parreno, 2006, 90 Minuten | Ausschnitt gesehen auf ART unlimited Basel, 6. Juno 2008