Wissenschaft und Kunst
Roland Halfen
Wenn Rudolf Steiner die Anthroposophie dadurch zu charakterisieren versucht, daß er sagt, sie beginne als Wissenschaft, steigere sich zur Kunst und vollende sich in religiöser Vertiefung, so ist das m.E. nicht als ein Weg durch drei aufeinanderfolgende Bereiche zu verstehen. es geht vielmehr um die Entwicklung von der einen zur nächsten Qualität als stringente Entfaltung. Diese Frage der inneren Stringenz ist aber im Grunde noch gar nicht zu behandeln, wenn noch gar nicht klar ist, was man unter der Wissenschaftlichkeit der Anthroposophie versteht. Der zwischenzeitlich eingebrachte Vorschlag, diesen Anspruch fahren zu lassen und sie von vornherein als Kunst zu behandeln, ist vielleicht aus persönlichen Gründen verständlich, wird aber der Sache nicht gerecht. Ich glaube, daß man sich zunächst mal noch klarer darüber werden sollte, daß es nicht sachgemäß ist, von "der" Anthroposophie zu sprechen, die "man" irgendwie schon zu "haben" glaubt, um sie dann durch Stellen aus Steiners Werk heraus zu rechtfertigen, sondern den eigenen gedanklichen, seelischen, praktischen Umgang mit Steiners Werk von vornherein so vollständig wie möglich als solchen im Bewußtsein zu haben, und schon hier die Frage der Wissenschaftlichkeit zu stellen. Und hierfür braucht es meiner Ansicht nach den Aufbau eines wirklich eigenständigen - und vor allem von "außen" jederzeit vollständig durchschaubaren und nachvollziehbaren - Diskurses.
Und hierfür wieder scheinen mir auch Bücher und Schriften von fundamentaler Bedeutung, um die Eigenständigkeit der Forschung gegenüber dem Werk Steiners in die Breite zu entwickeln, nicht nur Gespräche oder Monologe. Die Ansicht ›was brauchen wir noch mehr Bücher, wir haben doch Steiners Bücher‹, ist unter diesem Gesichtspunkt einfach naiv, denn wir entfernen uns historisch immer weiter von der zeitlichen (Sprach)Form, in die Steiner seine Erkenntnisse gebracht hat, und kommen dadurch immer mehr in die Situation, daß man schon diese Sprache früher oder später einfach nicht mehr versteht. Steiners Werke sollen damit keineswegs suspendiert werden, sondern nur auf die Aufgabe hingedeutet, den selbstständigen Umgang mit Steiners Werk dadurch transparent zu machen, daß man ihn mit allen verfügbaren Mitteln reflektiert, und dies auch in eine aktuell kommunizierbare Sprache zu bringen versucht. Diese Aufgabe als eine Gestaltungsaufgabe zu erkennen, ist nicht unbedingt so im allgemeinen Bewußtsein. Es geht auch nicht darum, etwas abstrakt zu fordern (man sollte doch mal endlich ...), sondern darum, auf ein Gebiet zu deuten, das schon wesentlich mit zur Anthroposophie dazugehört. Die Verständigung des (sich mit Anthroposophie bechäftigenden) Bewußtseins mit sich selbst ist ein Prozeß, der jederzeit kommunizierbar ist, wenn das persönliche Erkenntnisbedürfnis expliziert wird. Jeder Mensch kann das meiner Erfahrung nach mitvollziehen, und auch die Schritte, die man zum Verständnis von Steiners Werk unternimmt. Die Frage ist aber nicht nur eine theoretische (wo fängt Anthroposophie an), sondern auch eine sehr praktische: Was fördert das Gespräch, den Diskurs, die Schrift, die innere und äußere Stärkung einer solchen Erkenntnisgemeinschaft?
Die Steigerung von der Wissenschaft zur Kunst beginnt dann, wenn man aus wissenschaftlich vertretbaren Gründen dazu kommt, die Art der Beobachtung ändern zu müssen, um bestimmten Beobachtungsobjekten, -subjekten, -prozessen usw. noch gerecht werden zu können. Das läßt sich plausibel machen, und hier würde auch der Übungsaspekt am einleuchtenden Ort sein. Das bedeutet, es könnte auf dem Feld der ›In-between-area‹ mehr herausgearbeitet werden, was für spezifische Erscheinungsbedingungen und -charakteristika die dortigen Phänomene besitzen. Da gibt es meinem Eindruck nach noch viel zu wenig Diskurs und entsprechend kaum etwas Publiziertes. Das beginnt schon mit der Aufmerksamkeitsforschung, die an dieser Stelle ansetzen kann. Wie unterscheiden sich die Arten der Aufmerksamkeit auf Aussenwelt, Kunstwelt, Innenwelt, innerliche Prozesse, Gedanken, Denken, Meditation. Da wird auch schon geforscht (Ulrich Weger) und es ließe sich daran anknüpfen und die Sache weiter ausbauen.
Dienstag, 4. Dezember 2007
anmerkungen zum diskurs
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