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Dienstag, 1. Juli 2008

mehr gibt s nicht

Lisbeth

Also – wenn Kunst von Künden kommt und es nichts mehr in unserem Bewußtseinshorizont gibt, von dem man künden könnte, anders als es ein alter Ikonenmaler oder ein Rembrandt erlebt haben muß, um seine Bilder zu verfassen – schließt sich dann nicht jede Verkündigungskultur endlich auch aus unserer Gegenwartskunst aus?

Muß die Sehnsucht nach dem Ewigen, von dem wir nicht tatsächlich, wohl aber dem Glauben nach weit entfernt sind – muß diese Sehnsucht dann nicht notwendig Bildformen vermeiden, die wirklichem Ewigkeitserleben vorbehalten waren und eine höhere Wirklichkeit vermittelt haben?

Inhaltlich wie formal eine Absage an die Ewigkeit zu treffen gelingt Künstlern wie Katja Strunz oder Anselm Reyle, beide Berlin, durch das Ankommen im ganz Bestimmten, das für nichts mehr offen ist als für sich selbst. Geschlossene Formen, in die nichts mehr einfließt als das, was die Form gebildet hat.

Katja Strunz konstruiert spitzwinklige Wandstücke aus laminiertfurniertem Holzimitat. Es könnten etwas verschobene, verzogene Papierfliegerformen sein, hingen sie nicht so aggressiv und schwer und unverrückbar an der Wand. Anselm Reyle setzt achtlos zerknitterte Geschenkfolie hinter wichtiges Plexiglas, dann sieht s nach was aus, oder verchromt in aufwendigen Verfahren Müllcollagen. Das Endprodukt wiegt so schwer, daß es acht Leute braucht, um aufgestellt zu werden.

Kein Entkommen in eine andere Möglichkeit. Kein Entkommen in ein Dahinter, in eine größere Idee, in die der Müll nur verweist. Nein, genau auf das, was sichtbar vor Augen steht, kommt es an. Mehr gibt s nicht. Kein Ausweg. Den man sich als Betrachter mitunter wünscht, denn – schön ist eigentlich was anderes.

Kein Mehr als das Wenige, das da ist. Ein Weniges, das kein Mehr kennen darf um sich ohne Netz über dem Abgrund zu halten. Durchschlag in existentielle Bodenhaftung.

16 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für den Versuch die methaphysichen Auswege zu verschließen. Ich komme mit, wenn es auch schmerzhaft ist. Aber muß es gerade am Beispiel der Kunstmarktgrößen sein?

Anonym hat gesagt…

denn, in der Vermarktung bekommt die Entleerung des angrenzenden "Himmels" eine stehen bleibende Spiegelung. "Funktioniert" die Entmystifizierung von Strunz und Reyle (das der auch noch Anselm heißt) ist da immer noch der Mythos des Erfolgs, das Feiern der Käufer, das Bedeutsame der Beeutungslosigkeit. Als "Objekte" interessiert das Gezeigte nicht, als "Zeichen für" gewinnen sie ihren Wert. Das ist immer noch alt. Ein kurzer Blick nur in die Erstarrung, der mich zwingt mich innerlich in Bewegung zu setzen. Da mach ich nicht mit.

Anonym hat gesagt…

ja,es muß gerade am beispiel von kunstmarktgrößen sein, denn deren arbeiten sind es, die mir vor augen stehen, wenn ich über die art basel laufe. sie sind es, an denen mir etwas als verschlossen erscheint und sie sind es, zu denen jeder im augenblick zugang hat, wenn er sich selber ein bild machen möchte.
wozu das bogenmachen um "größen"- zumal es nicht der kunstmarktgrößenaspekt ist, auf den hingesehen wurde?

sehr wohl interessieren mich die sachen als objekte- und als nichts sonst. denn ich bin kein feiernder käufer und kein zeichensucher, sondern ein hingucker. ich will nicht in angrenzende himmel geleitet werden, wenn ich vor gegenwartskunst stehe. wenn ich himmel suche, gehe ich zu rembrandt oder vielleicht noch zu manchem rothko. oder höre bach, möglichkeiten bitte selber weiterdenken.
man muß ja doch einen anselm reyle erstmal als mystifiziert erleben, um ihn entmystifizieren zu können. ehrlich gesagt, mir liegt beides ferne.
daß anonym sich in namenloser größe äußert, erscheint mir übrigens vergleichsweise mystifizierender als die vorgänge des kunstmarkts, und nochmals sei erinnert- der blick ist weder auf kommerz noch auf mystik gerichtet, sondern auf zwei konkrete arbeiten.

Anonym hat gesagt…

Ich versuchte die Notwendigkeit zu beschreiben, daß genau dieses Hingucken auf das Vorgefundene nur deswegen möglich ist, weil der Markt es dort hingehängt/gestellt hat. Und nur deswegen das Geguckte als dieses mehr gibt s nicht erscheint. So ist das Konkrete von seinem Kontext nicht zu trennen, und der Betrachter irrt vielleicht ganz einfach?

Anonym hat gesagt…

Man muss auch künden können. Wenn man als Künstler dies nicht kann, sich weder als Zeuge noch als Beobachter sehen kann, greift man das Unkündbare auf und erhebt es auf die Oberfläche, als Ding an sich. Es gibt weder etwas zu suchen, noch zu entdecken. mact sich selbst überflüssig. Nur dieser eine Gedanke, der sich womöglich selbst sofort vergißt. Hier wird das Banale mystifiziert, das Überflüssige selbst. Hingucken kann ich überall, aber Hinschauen ist eine Kunst. Warum den Himmel nicht mal woanders antdecken, als nur bei Bach ?Man muss sich immer ein bischen einlesen und sich darin auch üben, wenn man versucht ein komplexes Werk zu verstehen. Das Mystische als Zufluchtsort?Nee...Bedarf es nicht eher an Mut und Bekennen. Vielleicht ist Einfachheit zwar das Ideal, Komplexität aber die Wirklichkeit.Ausserdem muss man den Menschen auch zutrauen können sensibel und hinschauend zu sein. Ich auf jeden Fall finde es wesentlich spannender, wenn ein Werk mich/uns zwingt, die Visionen in uns selbst zu erkennen, Visionen unseres gemeinsamen Menschseins. Alles andere sehe ich als Absage am Vermächtnis(Bach) und Verantwortung, der wie ich finde man sich zu stellen hat. Das ist vielleicht nicht modern, aber vielleicht ewiglich?

Anonym hat gesagt…

Die Art Basel kann zwar jeder besuchen (das wär ja auch was), aber sie ist doch auch nur ein winziger Ausschnitt von noch viel viel mehr. Es gibt großartige Werke von Künstlern, sogar der jüngeren Vergangenheit, die man als Provokateure von Bedeutungen sehen könnte. Die Kunst nicht der Kunst wegen erniedrigen müssen, und mutiger Weise versuchen ein wenig Licht in die dunklen Ecken unserer vernebelten Hirne zu bringen..

Anonym hat gesagt…

Dossier
Freitag 4.Juli 19.15 DLF (Radio!)
Der Midas Effekt oder:
wie Kunst zu Geld wird

Michael

Anonym hat gesagt…

genau so funktioniert s.

ein ganz bestimmter gegenstand (furnierflieger, folienbild)- und das erste, wo s hingeht, ist nicht etwa eine vertiefung des gegenstands, sondern sind allgemeinplätze- kritik am kunstmarkt; himmlische sehnsüchte, korrumpierte geschmäcker profitorientierter kunsthändler (galeristen) oder unmaßgebliche geldanlagen inkompetenter feierabendkäufer(banausen).

mich interessiert nicht, warum das bild da hängt und kein anderes den weg auf die art basel gefunden hat.

wenn ich ins museum für südostasiatische kunst gehe, denke ich auch nicht als erstes drüber nach, wieso da kein raffael hängt und was das gebäude eigentlich gekostet hat, sondern gucke mir die miniaturen an.

mich interessieren keine konjunktive, die mit etwas handeln, was sein könnte, wenn es anders wäre, und damit reich werden.

mich interessiert keine gesichtslose ewigkeitskarte, die auf kosten des konkreten moments, des momentanen bildes gespielt wird.

fortsetzung- für inga: einlesen-: spitzwinklige architekturen, eingeklappt montiert, billiges material, akribisch damit gearbeitet. schattenwürfe an der weißen wand, reglos und starr. die holzmaserung gibt nichtmal vor, echt zu sein, verrät sich sofort als plastikschicht, wahrscheinlich auf sperrholzplatte geklebt. spitzwinklig wie die architektur draußen, aber kein spiegelndes glas, keine schicken stahlrippen, nur dieses fade, dumpfe braun, von dem man sich gar nicht vorstellen kann, daß es freiwillig in wohnbereichen verklebt wird. es sticht. starrt. wirkt.

ja, alles ist teil eines kontexts- und dann? was ist mit dieser feststellung gewonnen? man kommt vom gegenstand ab, taucht nicht weiter in ihn ein, ergeht sich lieber wieder in dem, was man sowieso schon immer gemeint hat, daß die wahre kunst außerhalb der märkte in stillen kämmerlein produziert werden muß, um ein gütesiegel zu verdienen, daß geld ideale kaputtmacht und so fort.
es langweilt, nicht bei der sache zu bleiben.

der betrachter kann nicht irren da, wo er selber liest. zerknitterte folie hinter plexi ist zerknitterte folie hinter plexi- wo soll da der irrtum liegen? und das gilt für jede weitere beobachtung an zerknitterter folie hinter plexi, die sich weitschweifiger deutungsversuchungen enthält.

Anonym hat gesagt…

der Deutungversuch deinerseits lag in der Annahme des Unkündbaren angesichts der zerknitterten Folie hinter Plexi. Diese Materialität ist schon wieder durch, und kein Zeichen der Zeit. Sie ist ein Nachholen in das Ausstellbare und damit vermarktet sie auch dein Bewußtsein.So ist die Hinzufügung des Kontextes des Ausgestellten keine Romantisierung des "armen Künstlers" gewesen, sondern eine Erweiterung des Wahrnehmbaren. In der Ecke des Allgemeinplatzes fürchte ich mich natürlich. Habe am Ende ich geirrt? Ein Voschlag: Treffpunkt Berlin Katja Strunz? Und die Frage, ob sie der Erfolg korrumpiert habe, ist tabu.

Anonym hat gesagt…

Ein Schuh. Genauer gesagt eine Sandale. Die Sohle ist an der Trittfläche gleichmässig körnig geriffelt. Der Abschnitt der Verse ist genau doppelt so dick. so dass sich ein abschüssiger Verlauf zu Zehenbereich ergibt, was zusätzlich durch das an Kautschuk erinnernde Material begünstigt wird. Die ledernde Oberseite ist durch eine gleichmässig maschinell gesteppte Naht ( vermutlich Stichgröße 4), die umschliessend entlang des Randes läüft, versehen. Zwischen diesen Schichten ist ein Polster eingebettet, dessen Material ich nur erahnen kann. Aus dem vorderen Teil ragen zu beiden Seiten zwei versetzt angelegte Riemchen heraus, die äusserst geschickt mittig so zusammengefügt wurden, so dass sie übereinander in längsrichtung über den Spann geführt werden. Ein drittes Riemchen, dass im Querverlauf womöglich ums Fußgelenk führen soll, geht durch geschickte Schnitttechnik in ein Fersenriemchen über, um dann mehr oder weniger spektakulär in die besagte obere Lederschicht zu versinken. Ein Schuh?Ja. Aber nun das Spannende: Das Leder der Riemchen im Besonderen, weist durch Verschleiß, zeitlich bedingten Verfall, unbehandelte, authentisch wirkende Gebrauchsspuren auf. Es verweist an dieser Stelle auf Vergangenes, auf ihr ursprüngliches "Zeugsein", ihre eigene Biografie und auf eine anonyme Beziehung zum Gegenstand. In dieser Betrachtung erlebt dieses Objekt eine Aufwertung, da er einen sentimentalen Bezug zu Alltäglichem und Authentischen herstellt und irgendwie verkörpert "nah am Leben" zu sein. Es scheint mir, dass sich in diesem Leder Geschichte und durch sie hindurch Geist aufgespeichert hat. Ihm haftet diesbezüglich ein Sinngehalt an, der dem einen oder anderen aus dieser Repräsentation heraus als belastet erscheinen mag...Ach und nun zu Reyle/Strunz...schade ich bleibe an der Oberfläche haften...

Anonym hat gesagt…

mit verlaub, ich habe keinen deutungsversuch unternommen, sondern einen beschreibungsansatz. der sogenannte arme künstler war weder vorgestellt noch erwähnt, ich weiß nicht, aus welcher ecke der kommt. und wie eine materialität mein bewußtsein vermarkten können soll, zumal wenn ich mir von ihr explizit einen begriff mache, ist mir nun vollends schleierhaft.

gegen berlin und katja strunz ist zunächst nichts einzuwenden.

für ein verlassen des allgemeinplatzes sur le motif gibt es allerdings leider keine garantie, insofern spricht mich der vorschlag nur mäßig an.

die wirkung des erfolgs auf katja strunz schließlich interessiert mich - wer hätte das gedacht - überhaupt nicht , weil ich ja die ganze zeit auf diese papierflieger gucke, die keine sind. ergo unnötig, bestimmte fragen zu tabuisieren, die für die sache(verklappte wandarchitektur en miniature) von vornherein irrelevant sind.

Anonym hat gesagt…

Nun danke ich für diesen doch etwas unbeweglichen Gesprächsverlauf und verzichte auf weitere Beiträge.

Anonym hat gesagt…

Ich erlaube mir eine Empfehlung(was ich eher selten tue). Übrigens sei dir alles erlaubt...Aber da wir gerade überflüssiger Weise als Verpackungsmüllexperten avancieren, würde ich dir gern einen Künstler gegenüberstellen. Eine wirkliche Kunstmarktgröße(vorletzte Dokumenta in Kassel, als auch von dem Oberbanausen Harald Falckenberg mit dem sogenannten "Bernsteinzimmer" raumfüllend gewürdigt). Google doch mal den Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn. Denn hier wird gänzliches Verpackungsmaterial aus seiner synthetischen Dinglichkeit geradezu befreit und es macht neugierig, bei ihm seinen Blick durch den Müll zu wühlen um tiefere Schichten aufzustöbern. Auf Plexiglas kann Hirschhorn getrost verzichten. Der Schuh ja auch. Alles alles Liebe

Anonym hat gesagt…

Jedes Untergehen in einer Schönheit, in einem Faszinosum, ja selbst in einem Interesse ist ausgeschlossen, wo die Oberfläche derart konfrontiert, daß einem nichts mehr dazu einfällt als das, was da ist.

Unergiebig all die Bildwerke, die vorgeben, es sei etwas dahinter. Und macht man sich – gerne unter weitgehendem Überspringen der Oberfläche, die nichts bietet, um dran zu bleiben – daran, etwas ergründen zu wollen, ist am Ende nichts da außer Knoten im Hirn.

Schade, ich bleibe an der Oberfläche – super, ich bleibe an der Oberfläche – und drifte nicht ab in Sekundärthemen.

Aus dem Schuh wie aus jedem Gebrauchsgegenstand tritt mir in erster Linie Zweck entgegen. Jede Einzelheit sagt mir Zweck, Zweck, Zweck, wenn ich ein bißchen reingucke. Das hindert nicht, daran Denkmuskeln zu stählen oder biographische Sentimentalitäten wiederaufzubrühen und selbstverständlich ist ein guter Schuh Gold wert und ein schöner erst recht.

Von Kunst erwarte ich, daß sie mich mit der Zweckfertigkeit in Ruhe läßt.

Thomas Hirschhorn macht mit seinen Ansammlungen äußerst komplexe Beziehungsgefüge auf, ähnlich wie Anna Oppermann; am Abfallaspekt bliebe ich bei ihm ebenso wenig hängen wie bei Anselm Reyle, formal zu sehr am Ende, dadurch überzeugend.

Genau definiertes Erlebnis an einem sehr genau definierten Gegenstand.
Scharfzeichnung.

So- und mehr gibt s nicht.

Anonym hat gesagt…

das letzte Wort hinter dem wo nichts ist?

Michael

Anonym hat gesagt…

Es scheint sehr schwer zu sein die Oberfläche als das zu akzeptieren was sie ist.