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Samstag, 16. Februar 2008

tun, wozu man die kraft hat

Johannes Nilo

In einem Gespräch wurde Ludwig Wittgenstein ein moralisches Dilemma vorgelegt: Ein Naturforscher muss sich zwischen seinen medizinischen Forschungen und dem Leben mit seiner Frau entscheiden, was soll er tun? Wittgensteins Antwort: ›Hier, können wir sagen, haben wir alle Elemente einer Tragödie; wir können nur sagen: ‹Gott sei mit dir›.‹
Es gibt laut Wittgenstein offensichtlich keine Lösung, kein moralisch Richtiges als Antwort auf dieses klassische moralische Problem. Handelt es sich hier überhaupt um ein moralisches Problem? Eine Tragödie lässt sich nicht philosophisch lösen, sie muss zu Ende gelebt werden. Oder besser zu Ende gespielt werden, da ja die Tragödie eine Kunstform ist, die sich auf einer Bühne austrägt. Um solche Stücke spielen zu können, brauchen wir Kraft. Aber ohne die richtige Sicht auf die Dinge, ohne einen ästhetischen Blick, werden wir nicht die Tragödie gelungen und glücklich zu Ende bringen können. Schicksal braucht Führung.
Man kann also das oben angeführte Dilemma als ein ästhetisches und nicht als ein moralisches Problem deuten.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Aus einem Brief des 19jährigen Rudolf Steiners an Josef Köck:

›Nun ist es schon zwei Tage. Nachdem ich nun zwei Tage als Mensch die Sache betrachtet habe, ist es meine Aufgabe, Deine Natur als Philosoph zu betrachten, und da, sage ich Dir ganz offen, bist Du mir die unbegreiflichste der Unbegreiflichkeiten. Kehre vor allem in Dein Innerstes ein und betrachte es als Deine Pflicht, zu erforschen, ob Dein Liebesverhältnis ganz frei war von Selbstsucht - ganz bis aufs Äußerste frei -, denn was Du da vom Verzichten als einem unedlen Handeln sagst, das gestehe ich offen, daß ich's nicht verstehe; noch weniger, warum es besser gewesen, Du hättest nicht verzichtet. – War es ganz frei davon, dann, guter Freund, brauchst Du weiter nichts, Du hast genug, hast Cyane in Dein Herz aufgenommen; da lebt sie drinnen fort, ihr Bild genügt Dir und das kannst Du mit dem Freunde sogar teilen; das ist echte Liebe, wo man mit dem Bilde zufrieden ist und das Fleisch nicht braucht, ja es unterdrückt. Da gibt's kein Grämen, keinen Kummer. Sage das auch dem Freunde!‹

Nilo hat gesagt…

Mehr zur wechselwirkende Beziehung von Ethik und Ästhetik kann im Sammelband, woraus ich oben zitiere (S. 44.), nachgelesen werden: „Ethik und Ästhetik sind Eins“, hrsg. von W. Lüttersfeld und S. Majetschak, Wittgenstein-Studien, Bd. 15.

Anonym hat gesagt…

man könnte das obige Dilemma auch als der Dialektik Enthobenes verstehen. Somit wäre die Lösung sowohl moralisch als auch ästhetisch möglich. Eine theatralische Tragödie verweist auf das Leben und hat den unschätzbaren Vorteil bewußter inszenatoricher Setzungen. Sie mit dem Schicksal gleich zu setzen ist zumindest gefährlich, wenn auch durchaus gerechtfertigt. So wäre das Ästhetische eine SPIEL wiese, um das Schicksal aus den Fängen der Moral zu befreien. Mir würde gefallen, daß sich Forschung und Liebe nicht ausschließen, sondern ergänzen. Ich würde mich allerdings auch wehren, wenn sich daraus ein zwangsläufig glückliches Ende ableiten ließe. Die theatralische Situation ist für sich eine Versuchsanordnung, die der Wirklichkeit entnommen ist, und in der "Schöpfer" und "Genießer" den gleichen Ort einehmen können, indem sie zuschauend sind oder werden. Der Schauspieler? der Tragödie handelt für beide.